v. Bernd Schönegger

„In Graz muss man nicht gewesen sein.“ Graz 2004 - wer hätte das gedacht, dass auch dieses Jahr einmal ergeht? Graz darf doch alles! Also wieso denn nicht das Jahr 2003 noch 2 oder 3 Jahre fortschreiben? Wäre doch praktisch, zumindest würde die Diskussion um dieses Jahr 03 um eben diesen Zeitraum hinausgezögert werden und vielleicht, wer weiss das schon, vergessen dann die „Nachhaltigkeitsdiskutierer“ ganz einfach darauf über die Nachhaltigkeit eines ganzen Jahres zu diskutieren! Vielleicht darf aber Graz doch nicht alles und die „Kulturhauptstadtmacher“ haben uns das nur einzureden versucht! Ich hege im übrigen schon länger den Verdacht, dass uns da von Graz 2003 eine Welt der Illusion aufgebaut wurde, besser eine Stadt der Illusion, vielleicht sogar eine gespiegelte Stadt?! Denn wenn man diese kleine Insel namens Graz, manche sagen Murinsel dazu, in Richtung wirklicher österreichischer Weltstädte verlassen hat, auch das durften die Grazer im Jahr 2003, packte einen so etwas wie stolz, ja sogar Selbstbewusstsein! Und wenn man wieder nach Hause kam wurde man schon vor den Toren Wiens in Graz begrüsst und glaubte ernsthaft daran, sich im Vorstadtbereich der Europäischen Kulturhauptstadt zu befinden. Zumindest mir erging es so! Von dem Vergnügen mit dem Zug am Grazer Hauptbahnhof einzufahren und die Vorfreude auf diese atemberaubende Bahnhofshalle während eines Gutteils der Bahnfahrt zu verspüren weiss ich auch noch zu berichten. Da haben sie ganze Arbeit geleistet, die „Kulturhauptstadtmacher“, uns so hinters Licht zu führen, so als ob man im Schatten stehen würde! Obwohl, vielleicht standen wir dieses ganze Jahr über auch im Schatten, zumindest wenn man es wagte seinen Blick in Richtung Schlossberg zu richten hatte man den Eindruck der Schatten der Grazer Vergangenheit hätte sich hinter unserem Uhrturm ausgebreitet. Alles Illussion? Ich nehme es an, denn die Grazer Herrengasse zu betrachten ist eine Sache, aber dies im Angesicht der Marienstatue einige Meter über dem Erdboden zu tun? Ja, ja die Einbildung ist wohl eine den Menschen beherrschende Kraft, ein Kunsthaus in Graz? Da war doch was, Trigon Haus, nicht wahr? Die Verwirrung kennt kein Erbarmen, Tiefgarage unter dem Pfauengarten - Kunsthaus am Südtiroler Platz, der „friendly Alien“ landet eben dort wo er will! Mein anfänglicher Zorn auf die Macher von Graz 03 ob ihrer illusionistischen Fähigkeiten legt sich langsam und weicht einer gewissen spöttischen Freude, denn 3000 Medien aus 36 Ländern, und die wissen bekanntlich alles und meistens sogar besser, sind auch auf Graz 03 hereingefallen und haben ca. 10.000 Artikel über die Europäische Kulturhauptstadt unter die Menschen gebracht (da sind die weltweiten Berichte über den kommunistischen Stadtrat — auch eine von Graz 03 geschickt inszenierte Illusion? noch gar nicht mitgerechnet). Nun haben wir 2004, es ist passiert, aber die Murinsel ist noch immer da, genauso wie das Kunsthaus, die List-Halle, eine Stadthalle, auf die Hauptbahnhofshalle freu‘ ich mich noch immer und das Literaturhaus steht auch noch! Aber auch alte Bekannte wie das Schauspielhaus, die Grazer Oper, das Mausoleum, der Grazer Dom, das Landhaus oder die Burg stehen noch immer und scheinen sich gut mit den Neuen zu vertragen! Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass ich nichts gegen den Herbst habe, im Gegenteil, der ist in der Steiermark bekanntlich besonders schön und kulturell, aber Graz erlebte im Jahr 2003 einen neuerlichen Frühling und ich freue mich schon auf den Sommer der da kommen mag! Auch wenn man in Graz nicht gewesen sein muss, Thomas Bernhard hat nicht gesagt, dass man nicht nach Graz kommen wollen darf! Ach ja, stolz dürfen wir schon auch sein, denn „wer hätte das gedacht“?!