Gastkommentare

Freitag, 11. Februar 2005

Styriamania 03 – Sie wollen alles und mehr

Gastkommentar v. Klaus Höfler (Die Presse)

Wenn Friendshiptickets und publicityhungriges Singelsangel die Politik ersetzen.
Das Politjahr im Zerrspiegel – eine Reality-Casting-Soap mit 13 Kandidaten. Und einem überlegenen Sieger.


Dabei hat alles so großartig angefangen! Schon Kandidat 1 von Styriamania 03, Turbo-Sigi, schafft durch einen Sieg bei der Grazer Lokalausscheidung den Sprung in den Hauptbewerb. Seine Don Alfredo gewidmete Interpretation von „It´s time to say good bye“ setzt sich gegen Walters „Rote Nelken sollst du wählen“ klar durch. In einem Heimgarten- und -werkerland wie Österreich ebenso wenig überraschend bleibt der Achtungserfolg von Ernestos „If I had a hammer (and sickle)“. Graz ist somit endgültig Kommunisten- und Kulturhauptstadt Europas. Was für eine Startrunde!
Doch wenig später kommt´s knüppeldick: Nach einer erfolgreich gemanagten Herbst-Tournee des fidelen Volksmusiktrios Wolfi, Willi & Liesl nimmt Kandidat 2 von Styriamania 03, Reinhold, selbst an einem Casting für die VP-Werkskapelle teil. Mit einer in Laufschuhen vorgesteppten Version von Bryan Adams „Run to you“ schafft der Sunnyboy aus der Oststeiermark tatsächlich den Sprung in den „Privilegienstadl“, wo der Karl nicht Moik sondern -heinz Grasser heißt. Dank Friendship-Ticket der ÖAA-Band schwindelt sich auf diese Weise Kandidat 3, Christopher, in den steirischen Hauptbewerb.
Und es geht in ähnlicher Rasanz weiter: Die Kandidaten 4 und 5, Gerhard und Günter, ein erfahrenes Polit-Duo, gewinnen mit einer Joe Cocker-würdig gekrächzten Interpretation des Lennon/McCartney-Klassikers „With a little help from my friends“ einen hochdotierten Gastauftritt in der „Millionenshow - Spezialausgabe Energiewirtschaft“.
Bislang einzigartig in der Geschichte von Styriamania will Gerhard später wieder zurück in die mediale Öffentlichkeit. Mit Robbie Williams „Let me entertain you“ kann er sich tatsächlich das Gehör der Fachmedien verschaffen und gilt mit seinem Dire Straits-Medley („Money for Nothing“ und „Privat Investigations“) sogar lange als Favorit. Für Styriamania 03 wird er aber nicht wieder zugelassen.
Stattdessen segeln zwei weitgehend unbekannte Ersatzkandidaten auf einem Friendship-Ticket in den Hauptbewerb: Wolfgang und Kristina. Startnummer 6, Wolfi, gibt gleich zu Beginn recht überzeugend „Spitalo fatalo“ zum Besten. Auch die als Senkrechtstarterin der New Generation gefeierte Kristina (Startnummer 7) wird rasch in die Defensive gedrängt. Und das just von einem aus ihrem eigenen Background-Chor: Gleich in den ersten Takten des Falco-Klassikers „Nie mehr (Halbtags)Schule“ brüllt sich Andreas - ein bislang unauffälliger Theologie-Student, der mit seiner Boy-Group K6 schon in der Vorausscheidung kläglich gescheitert war - mit schrillen Zwischentönen immer wieder in den Vordergrund.
Freiwillig hinter die Kulissen zieht sich dagegen Kandidat 8, Erich, zurück. Der hemdsärmelige Volksmusikant muss bei seinem bewegenden Abschied vom Saalpublikum im Landtag allerdings noch einmal seine oststeirisch gebellte Version des Talking Heads-Hits „Burning down the house“ („Dann zind´ I Eich de Hittn an“) wiedergeben. Mit Standing ovations wird er in den Ruhestand geklatscht. Über den Ersatzkandidaten Hans (Startnummer 9) aus der Obersteiermark wussten Insider nur, dass er eine Vorliebe für Schafe hat und mit seinem von Cher abgekupferten „Sheep Sheep Song“ irgendeine lokale Vorwahl gewonnen hatte.

Erichs Beispiel folgend nimmt sich wenig später auch das mit Startnummer 10 antretende „Electric Light Orchestra“ rund um Norbert, Josef und Guido mehr oder weniger selbst aus dem Rennen. Ihre Instrumentalversion von Billy Joels „We didn´t start the fire“ stößt beim Publikum nie auf die erwartete Glaubwürdigkeit. Trotzig gröhlend verlassen sie mit Kurt Ostbahns „Ois hot sei End“ die Bühne und werden durch das mit Friendship-Tickets versorgte Duett Johannes und Peter ersetzt. Mit „Analyse“ von den Cranberries sollen die beiden das angekratzte Image von Styriamania wieder aufpolieren. Mit bescheidenem Erfolg: In den Gängen des Aufnahmestudios ist von Startnummer 11 bislang nur deren hilfloses Summen des U2-Hits „I still haven´t found what I´m looking for“ zu hören.
Im Gegensatz zu ihren Kollegen treten zwei andere Friendship-Ticket-Duette nicht ganz so freiwillig von der Styriamania-Bühne ab. Die unter dem Namen „The Kages“ dahingurgelnde Startnummer 12 (Klaus & Berndt) mit der Grönemeyer-Coverversion von „Was soll das“ wird von der Jury ebenso vorzeitig aus dem Bewerb genommen wie die STG-Rapper Helmut und Robert (Startnummer 13), von denen nur der zart gehauchte Tracy Chapman-Song „Why?“ übrig bleibt.
Und dann – die Favoritenrollen sind längst vergeben, die Plattenverträge für den Sieger schon unterschriftsreif - taucht am Horizont plötzlich, wie aus dem Nichts, ein Muskelberg terminatorischen Ausmaßes auf. Mit einem falsch ausgesprochenen „California Dreamin´“ gewinnt Arnie goes to Hollywood das Publikumsvoting überlegen.
Die Welt ist wieder einmal gerettet. Und Styriamania 03 zu Ende.

Graz darf alles

Gastkommentar v. Peter Puller (Kronen Zeitung)

Spannend, was da am 26. Jänner 2003 passiert ist. Zukünftig werde ich mich jedenfalls auf Lotto, Toto oder Roulette verlegen, anstatt sinnlose Wahlprognosen abzugeben. Che Ernesto, der liebe Onkel, hat es allen gezeigt! Gut, dass der Engel der Mieter nicht an der Braunschweiger erstickt ist, die ihm vor lauter Überraschung über den Triumph im Halse stecken geblieben war. Graz darf alles. Doch halt - im Trubel um die Revolution haben wir beinahe auf einige andere interessante Aspekte vergessen. Nämlich jene, die objektiv betrachtet wesentlich gewichtiger sind, als ein Kommunist, der außer seinem obligatorischen „Njet“ zur Tagespolitik nur wenig beizutragen hat. Da wäre zum Beispiel das Waterloo der FPÖ, der wir an dieser Stelle nicht mehr Bedeutung einräumen wollen als in der Realität. Oder die SPÖ, die beim Erbe ihres Parteikollegen Altbürgermeister Stingl gerade noch den Pflichtteil antreten durfte. Und die Grünen, die nach ihren Träumen von einem Sitz im Stadtsenat jetzt nur noch schwarz sehen. Denn - und das sollte eigentlich die aufregendste Neuerung sein - die Volkspartei konnte den Bürgermeistersessel ergattern. Graz ist eine gute Stadt und darum sollte Siegi Nagl tunlichst alles daran setzen, dass das auch so bleibt. Seine Vergangenheit als Chef der Innenstadtinitiative und als Finanzstadtrat streichen wir sozusagen als Einstandsgeschenk aus unserem Gedächtnis. Geben wir ihm die Chance zu beweisen, dass er mehr ist, als nur der größte Konkurrent Karl Heinz Grassers im Casting zum Schwiegersohn der Nation und Stingls Lehrbub. Siehe da - nach einigen Monaten Anlaufzeit, in denen Nagl fast nur auf bunten Fotos in Erscheinung trat, schaffte er es doch noch zum Medienliebling. Aber „Bad News are good news“ - dieser fragwürdige Leitspruch behielt leider seine Gültigkeit. „Durchgesetzt - Abbruchbescheid bleibt aufrecht“ wurde etwa auf der Homepage der Grazer VP die Kommod-Affäre frohlockend kommentiert. Ein bisserl diplomatischer hätte es der Bürgermeister eines Weltkulturerbes schon formulieren können, auch wenn seine Position in dieser heiklen Frage nachvollziehbar und vor allem mutig war. Den eigenen Koalitionspartner als dumm zu bezeichnen, wie es Nagl nach dem Rechnungshofbericht über seine Ära als Schatzmeister der Stadt in einer panischen Notwehrreaktion passiert ist, zeugt auch nicht von politischem Geschick. Auch das „Verkehrskonzept“, das es allen Grazern ermöglichen soll, mit dem Auto bis in die Küche zu fahren, hat ordentlich Feinstaub aufgewirbelt. Um noch einmal den Vergleich zu KHG zu ziehen: Ich denke, der Bürgermeister wurde schlecht beraten. Eine Katastrophe ist das aber nicht, denn auch in Graz gilt der bundesweite Wahlslogan der Volkspartei: Wer, wenn nicht er. Während der Bürgermeister nämlich einen graziösen Eiertanz von einem Fettnäpfchen ins nächste auf das Parkett legt, ist die Konkurrenz auffällig unauffällig. Die Bilanz 2003: Das Kulturjahr war schön, sonst ist nichts passiert. Bürgermeister Nagl führt die Ära Stingl nahtlos weiter. Schade eigentlich - denn Graz ist eine gute Stadt, aber es gibt noch viel zu bewegen. Und eines dürfen wir nicht vergessen: Graz darf alles. Außer schwul sein.

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